1 - Ehe und Familie - Ideal und Wirklichkeit [ID:1261]
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Die Familie ist eine der ältesten Lebensformen. Sie ist älter als der Staat. Fast jedes Mitbiet

der Gesellschaft erfährt diese Form menschlichen Zusammenlebens. Die vornehmliche Aufgabe der

Familie ist die Pflege und die Erziehung des Nachwuchses, die Weitergabe gesellschaftlicher

Werte und Ordnungsvorstellungen. Die Familie wird gern als Keimzelle der Gesellschaft bezeichnet,

auf der das gesellschaftliche und der staatliche Leben aufbaut. Sie erfreut sich daher einer

besonderen Aufmerksamkeit in der öffentlichen Meinung und in der Wissenschaft. Und trotz

alledem oder gerade deswegen wird ihr sehr häufig die besondere Aufmerksamkeit zugekehrt.

Und sie ist, das werden Sie alle als regelmäßige Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser schon

festgestellt haben, sie ist ein beliebter Gegenstand kulturpessimistischen Japans. Die Kritik und so

manches gesellschaftliche Vorurteil teilt die Familie mit der Ehe. Der durch die

Industriegesellschaftlichen Umwälzungen bewirkte Wandel der Familienstruktur und des Familiensinns

ist von den Pionieren der Familiensoziologie als Verfall dieser Lebensform bezeichnet worden.

Die Geschichte der Familie wird dann auch immer gern als Geschichte ihres Zerfalls beschrieben.

Ihre Zersetzung lesen wir sogar in einem der ältesten familienrechtlichen Lehrbüchern.

Die wachsende Scheidungsrate und die dadurch ansteigende Zahl von Alleinerziehenden,

die abnehmende Heirats- und Gebärfreudigkeit, die Vielzahl nicht ehrlicher Lebensgemeinschaften

und Kinder, die Familienflucht der Jugendlichen und deren Kriminalität werden gern als Indizien

des Verfalls gedeutet. Als Ursache dieser Auflösungstendenzen werden häufig die

Erwerbstätigkeit der Frau und das Lachse Scheidungsrecht angeführt. Schon Saviné wollte

gern aus diesen Erwägungen heraus das relativ liberale Scheidungsrecht des preußischen allgemeinen

Landrechts reformieren. In seinem Plädoyer für ein strenges Scheidungsrecht behauptete er,

dass bei vielen Ehen der Grund des Verderbens schon in der Art liege, in der sie geschlossen

werden. Stünde doch nicht selten den neuen Ehegatten schon der Gedanke an die leichte

Auflösbarkeit der Ehe vor Augen und Saviné meinte, dass der Ehegatte, der sich auf dem Abweg

von Selbstsuchtruhe und böser Lust befinde, diesen Anwendungen oder diesen Anwandlungen

mit mehr Selbstbeherrschung begegnen würde, wenn ihm der Gedanke ein ernstes, die bloße

Willkür ausschließendes Scheidungsrecht vor Augen stünde. Nun dagegen ist in

richtsoziologischen Analysen wiederholt schon vor Jahrzehnten festgestellt worden, dass die

Bestandskraft von Ehen und Familien und deren Zusammenhalt nicht durch die engere oder

weitere Fassung der Scheidungsgründe beeinflusst wird und dass durch die Einschränkung der

Scheidungsgründe sich weder die Entwicklung der Ehen noch die der Scheidungszahlen steuern

lasse. Die Ängste jedenfalls in dieser Frage haben sich inzwischen zu der Frage gesteigert,

sterben die Deutschen aus? Zum Glück ist es noch nicht so weit, doch sprechen unsere Statistiken

eine deutliche Sprache, was die Geburtenfreudigkeit angeht. Seit dem Jahre 1972 werden jedes Jahr

weniger Kinder geboren als Menschen sterben. Die jüngste Jugendstudie stellt fest, dass der

Kinderwunsch bei den jungen Menschen sinkt. Zwar hegt die Mehrheit der Jugendlichen den Wunsch

nach eigenen Kindern. Sie möchten aber das persönliche Glück nicht von der Erfüllung

dieses Wunsches abhängig machen. Die jungen Menschen können sich ein glückliches Leben

auch ohne Kinder vorstellen. Auffällt, dass sich Mädchen und junge Frauen viel häufiger als

jungen und junge Männer Kinder wünschen, doch Kinderwunsch und Kinderkriegen ist zweierlei.

Empirische Untersuchungen der Soziologin Rosemarie Nave Herz zeigen, dass die Mutterideologie

zusammen mit dem fehlenden Infrastruktureinrichtung im Westen zu einer hohen Kindlosigkeit geführt

hat und weiterführen wird. Es gibt ja kaum ein Gebiet, das so schön auch europäisch durchdruckt

der Europäischen Kommission analysiert und beobachtet wird, wie das der Gleichberechtigung

der Frau. Und da können Sie lesen, dass tatsächlich dieser Muttermythos, diese Mutterideologie eine

typisch deutsche Erscheinung ist, die es in dem Maße in anderen Ländern, selbst in

Mediterranenländern nicht gibt. Das finde ich doch erstaunlich. Aber bei uns herrscht sie doch noch.

Denn immer mehr Mütter, das führt jetzt zurück zur Geburtenfrage, immer mehr Mütter schieben ihren

Kinderwunsch, so hat es Rosemarie Nave Herz dargetan, wegen ihres hohen Berufsengagements und der

gleichzeitig gegebenen Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie hinaus in der Hoffnung,

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Jutta Limbach Prof. Dr. Jutta Limbach

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:34 Min

Aufnahmedatum

2010-07-08

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:29

Sprache

de-DE

Die Frage, welche Gemeinschaft als Ehe oder Familie im Rechtssinne zu gelten habe, ist in der juristischen Zunft nach wie vor umstritten. Der stete Wandel der Lebensformen führt immer wieder zu neuen Rechtsproblemen. Die zunehmende Vielfalt und gesellschaftliche Akzeptanz familiärer Lebensformen dies- und jenseits des Familienrechts kann auf Dauer nicht ohne Folgen für das juristische Normalitätskonzept bleiben. Nur allmählich wächst die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, d.h. die Bereitschaft, nicht von der Ehe her zu argumentieren, sondern von Kindern und Partnerschaften und deren Lebensverhältnissen auszugehen. Die Aufmerksamkeit wird mehr und mehr dem Schutz des sozial und wirtschaftlich schwächeren Familienmitglieds zugekehrt.

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